Die Gefühlsleiter aufsteigen in die Liebe
Gefühle haben, wie alles in der Welt, eine natürliche Ordnung. Sie sind wie eine Leiter angeordnet, auf welcher wir von der tiefsten Depression bis in die höchste Ekstase auf- und absteigen können – wenn wir wissen wie das geht. Für die meisten Menschen, sind Gefühle aber eher wie das Wetter: Sie kommen aus unerfindlichen Gründen, manchmal lau, manchmal mit der Gewalt eines Gewitters, bringen unsere Welt durcheinander, sind zu Zeiten angenehm, oft auch nicht und dann denken wir, das wir uns vor ihnen schützen müssen, damit sie uns nicht weh tun.
Es gibt schöne Gefühle wie Liebe, Freude, Optimismus, Begeisterung, Hoffnung, Ekstase, Ruhe, Frieden und Sicherheit. Von denen wollen wir mehr, weil wir intuitiv spüren, das sie ein Indikator für unser Glück sind. Sie zeigen uns, dass wir gerade im Einklang mit unserer Seele sind und uns auf dem richtigen Pfad unseres Leben bewegen.
Dann gibt es unangenehme Gefühle, wie Wut, Hass, Verzweiflung, Trauer, Angst, Depression, Eifersucht und Neid. Diese Gefühle sind uns zuwider und meist wollen wir sie nicht spüren. Sie zeigen uns aber genauso viel, wie die schönen Gefühle, nämlich, dass wir gerade entgegen unserer wahren Natur handeln, das wir gerade auf dem Weg der Trennung sind, das wir uns selbst und andere Wesen verletzen.
Mein eigener Weg durch die Landschaft der Gefühle, war als Kind eher schwierig. Ich kannte die Gepflogenheiten der Welt noch nicht und fühlte mich oft deplatziert, mit sehr viel Wut, die mein Bruder täglich aus mir heraus lockte. Ich wurde selten gelobt von meinen Eltern und ebensowenig gescholten. Ich hatte viel Freiraum und wenig Feedback. Nur manchmal kam meine Vater in mein Zimmer, erklärte mir die Welt und sagte: „Thomas, wenn du weiter so machst, wirst du nie Freunde im Leben haben. Du musst dich mehr anpassen und darfst nicht so viel anecken.“
Da wir in der DDR lebten hatte er leider recht. So wie ich war, würde ich nicht zum Abitur zugelassen werden, denn das ging damals nach Gesinnung, und nicht nach Intelligenz.
Ich versuchte daraufhin mich zu ändern, nicht so vorlaut in der Schule zu sein, nicht so direkt die Lügen der anderen bloßzustellen, einfach das Spiel mitzuspielen. Es gelang mir auch ganz gut, nur wurde ich dadurch depressiv. Ich konnte nicht mehr lachen, fühlte mich ständig matt und traurig. Nach fast einem Jahr dieses Spieles sagte ich mir: „Scheiß drauf, egal was kommt, ich kann so nicht weitermachen. Es bringt ja eh nichts, die Lehrer finden mich noch schräger als zuvor und ich habe keinen Spaß mehr am Leben.“
So wurde ich wieder der alte, vorlaute Thomas, der genau über die Sachen Witze macht, die niemand sehen will und der als einziger Junge in der Schule den männlichen Kurzhaarschnitt verweigerte. Ich habe gelernt meine Gefühle ernst zu nehmen, auf sie zu hören und sie auszudrücken, statt sie in mich hinein zu fressen. Und das war im Nachhinein eine sehr gute Entscheidung.
Schließlich wollen Gefühle uns etwas sagen und uns im Leben leiten. Sie zeigen uns die Wahrheit unserer seelischen Landschaft, unseres Unterbewusstseins. Und wenn man genau hinschaut, sind sie gar nicht so unberechenbar, wie sie manchmal scheinen.
In Wirklichkeit sind Gefühle wie die Sprossen einer Leiter, die wir bis in die Liebe hochklettern können und auf der wir auch genauso schnell bis in die Depression herunter rutschen, wenn wir sie nicht ernst nehmen.
Im folgenden möchte ich über die Leiter der Gefühle reden und etwas Licht in das Dunkel unserer menschlichen Gefühlswelt bringen.
DEPRESSION & VERZWEIFLUNG
Diese Gefühle sind am untersten Ende der Gefühls-Leiter. Sie entstehen, wenn wir uns absolut alleine, verraten, ausgenutzt und nutzlos, ungeliebt, gequält und geschlagen fühlen. Sie können die Folge von körperlichem Missbrauch, Krieg und Krankheit sein. Oder sie sind die Folge emotionaler, seelischer Widrigkeiten, wie z.B. von Eltern und Partnern nicht geliebt oder sogar verachtet zu werden.
Die normale Reaktion von Körper und Psyche ist, sich schnellstmöglich auf die nächsthöhere Stufe der Gefühle zu bewegen. Dazu werden alle inneren Kräfte mobilisiert, denn das schreckliche Gefühl von Depression und Verzweiflung zeigen uns, das es so nicht weitergehen kann.
Der einzige Grund, warum manche Menschen in dieser Gefühlshaltung bleiben, ist Gefangenschaft. Entweder ganz real in Lohnsklaverei und Gefängnis oder rein geistig, weil die Eltern schon in der Kindheit jeglichen Selbstwert und Enthusiasmus ausgetrieben haben.
Heute gibt es noch die ganz neue Form der medialen Gefangenschaft. Politik und Medien reden den Menschen fiktive, beängstigende Realitäten ein, die entweder Depression verursachen und gefügige Bürger erschaffen oder sie in die nächsthöhere Stufe von Wut und Hass bringen, die dann gelenkt und genutzt wird, um Kriege anzuzetteln.
Ein freudiger, optimistischer Mensch ist nicht regierbar. Er hat eine eigene Meinung, ist nicht manipulierbar, will Frieden statt Krieg, konsumiert nicht viel und ist auch nicht ständig krank. Das gleiche gilt für Kinder: Sie sind von Natur aus selbstbewusst, freudig, liebevoll und optimistisch.
Einen Menschen auf der niedrigsten emotionalen Stufe zu halten ist nicht einfach. Früher oder später wird er all seine letzten Kräfte mobilisieren und versuchen auf die nächste Stufe der Gefühlsskala zu gelangen, denn nur dort kann Befreiung geschehen:
WUT & HASS
Diese Stufe auf der Gefühls-Leiter ist sehr wichtig und es wird leider oft versucht sie zu überspringen oder zu unterdrücken, weil wir keinen gesunden Umgang mit den aggressiven Gefühlen von Wut und Hass gelernt haben. Ein Überspringen dieser Stufe ist aber nicht möglich und auch nicht nötig. Wut und Hass können, wie jedes andere Gefühl auch, solange gefühlt werden, bis sie sich auflösen und uns zur nächsten Stufe führen. Das dauert auch selten länger als 10 Minuten, wenn die Wut nur auf den Ereignissen der Gegenwart beruht. Wenn es aufgestaute Wut ist, die aus der Kindheit oder von traumatischen Ereignissen herrührt, dann kann das Ausleben der Wut auch wesentlich länger dauern. Diese zu spüren und an einem Kissen abzureagieren macht aber großen Spaß und ist absolut befreiend.
Um aus der vorherigen Stufe von Verzweiflung und Depression auszubrechen, werden die kraftvollen Gefühle von Wut und Hass gebraucht. Wut ist ein wichtiges und wunderbares Gefühl, wenn es uns selbst aus der eigenen Gefangenschaft führt, es ist aber auch ein sehr gefährliches Gefühl, wenn es von außen manipuliert wird und gegen andere Wesen gerichtet wird, die uns nichts getan haben und auch nur in Freiheit leben und gedeihen wollen. In einem solchen Fall ist es besser nach innen zu gehen und die Wut intensiv zu fühlen, bis sie uns zur nächsten Stufe bringt :
TRAUER & SCHMERZ
Wenn du die vorherigen Gefühle von Wut und Hass angenommen und integriert hast, dann wirst du schnell den Schmerz und die Trauer spüren, die darüber liegen. Auch diese Gefühle fühlen sich ziemlich unangenehm an und die meisten Erwachsenen haben gelernt sich mit Arbeit, Medien, Konsum und Drogen davon abzulenken und die Trauer zu unterdrücken. Das funktioniert auch für eine Weile, doch es lässt uns nicht zu den höheren Gefühlen wie Freude und Liebe aufsteigen, denn dafür müssen Schmerz und Trauer erstmal gefühlt und angenommen werden.
Es ist deshalb unabdingbar alle Tränen zu erlauben, bis das Herz wieder erlöst und offen ist. Auch diese Stufe kann nicht übersprungen werden, wie wir wunderbar an Kindern sehen. Wenn diese im Schmerz sind, weinen sie so lange, bis der Schmerz sich aufgelöst hat. Danach sind sie so rein und glücklich wie zuvor, weil sie durch das Erlauben der Trauer wieder ganz schnell auf der Gefühls-Leiter nach oben gestiegen sind.
Leider kann es aufgrund falscher Erziehung von traumatisierten Eltern oder durch schlimme Lebensereignisse geschehen, das der Schmerz zu groß und dauerhaft ist, um gefühlt und transzendiert zu werden. Lang anhaltende Kriege in der Welt und in der Ehe sind für Kinder absolut schlimm und führen zu einer Überforderung des Herzens. Dieses gibt irgendwann auf, denn es kann gar nicht so viel weinen, um all den großen Schmerz abzubauen. Es verschließt sich und zieht sich zurück, in die kalte Einsamkeit der Depression und Verzweiflung. Dort ist es zwar nicht schön, aber zumindest nicht so bedrohlich, wie das wahre Leben.
Wenn ein solcher Mensch nicht in die Wut kommt, um dann später wieder die Trauer zu fühlen und von dort aus weiter aufzusteigen, wird er sich ein Leben lang in den unteren Gefühls-Stufen bewegen und nie das wahre Glück des Lebens erfahren. Er wird als Elternteil, als Chef oder Politiker einen kranken und negativen Einfluss auf alle Menschen ausüben, mit denen er zu tun hat. Er wird sich mit Arbeit, Alkohol und Nikotin betäuben, um das innere Elend irgendwie zu ertragen. Und er wird versuchen das Glück auch in anderen auszutreiben, weil sie ihn an sein eigenes Potential und seine unterdrückten Gefühle erinnern.
Da du so ein Leben nicht für sich willst, ist es unabdingbar deine Gefühle von Schmerz und Trauer zu erlauben. Wenn sie so weit unterdrückt sind, das du sie kaum noch fühlst, dann kann es helfen zu tanzen oder dich von der Schönheit der Natur und von anderen Wesen berühren zu lassen. Sobald sich dein Herz wieder öffnet, wirst du auch die Trauer spüren, die darin noch enthalten sind. Was auch der Grund ist, warum viele Erwachsene vor Rührung weinen. Kleine Kinder tun das nicht, weil sie noch keinen aufgestauten Schmerz haben, der sich entlädt, wenn das Herz ganz offen ist. Auch wir können und müssen wieder das heile Fühlen unserer Kindheit wiederfinden, wenn wir glücklich sein wollen. Daran führt kein Weg vorbei.
Am wichtigsten ist dieses Auflösen von altem Schmerz für uns, wenn wir eine enge Paarbeziehung führen wollen. Dort kommt zwangsläufig alles Verborgene und Aufgestaute an die Oberfläche und wir können diese Intimität wunderbar dafür nutzen, aufkommenden Schmerz zu fühlen und nicht auf den Partner zu projizieren. Er hat meist mit uns selbst zu tun und damit, wie unsere Eltern uns als Kind behandelt haben. Wenn wir bei uns selbst bleiben und durch den Schmerz durchgehen – statt nach unten in abwehrende Wut und in Hass zu fallen – dann kommen wir automatisch in die nächsthöhere Stufe:
VERGEBUNG & DANKBARKEIT
Hier erkennen wir, dass wir selbst die Schlüsselfigur in unserer eigenen Geschichte sind. Wenn das Herz sich öffnet, dann ist auch der Geist klar und kann verstehen, wie es zu den Situationen in unserem Leben kommt. Wir erkennen uns selbst als Schöpfer unseres Lebens und hören auf das Opfer zu spielen. Durch das Annehmen von Schmerz und das erkennen dessen Ursache, können wir hinter die Kulissen schauen. Wir erkennen unser Gegenüber als Mensch und als Seele und das führt zu Vergebung, also der Erkenntnis, das wir alle Spielfiguren im Traum des Lebens sind und das hinter der Kulisse eine Dimension der Einheit ist, deren Duft als Liebe in unser Leben herüber weht. Diese Liebe bringt uns von selbst in die Dankbarkeit und wenn wir diese ausdrücken, dann vermehrt sie sich, bis wir ziemlich bald in die höchste Stufe aufsteigen:
LIEBE & VERBINDUNG
Liebe ist in der Tat das höchste der Gefühle. Wenn wir in einem Lebensbereich auf dieser Ebene angekommen sind, dann fühlen wir uns sicher, glücklich, ekstatisch und freudvoll. Allerdings reicht es nicht, sich nur in einem, oder in wenigen Bereichen auf dieser Gefühlsebene zu befinden. Erst wenn wir uns in allen Dimensionen des Lebens liebevoll und verbunden fühlen, haben wir Meisterschaft erlangt und tappen nicht mehr in die Falle von Arroganz und Stolz.
Liebe kann auch direkt von jeder Stufe der emotionalen Leiter erreicht werden, indem wir unser Seele einladen und uns mit der göttlichen Quelle verbinden. Wir werden damit zu unserer wahren Essenz, welche ganz einfach Liebe ist. Natürlich werden wir auch beim direkten Aufstieg kurz die Gefühle spüren dürfen, die auf dem Weg dahin liegen. Doch meist fühlt sich das wie ein erleichterndes Loslassen an – und wird gerne als Vorbote der Liebe angenommen.