Fremdgehen, Analyse und Lösungsansätze

erotische, sexuelle Liebe ist nicht nur das schönste Gefühl auf Erden, sondern auch das stärkste. Ohne erotische Liebe fühlen wir uns wie ein Fisch auf dem Trockenen. Wie ein Verdurstender in der Wüste. Kein Wunder also, dass Menschen die Tendenz haben, fremdzugehen, wenn in der monogamen Beziehung nichts mehr läuft.

Der Begriff „nichts mehr läuft“ beschreibt auch schon das Problem: Wir haben bei Liebe und ihrem körperlichen Ausdruck oft das Gefühl, das alles von selbst laufen und funktionieren muss, damit wir uns gut fühlen. Schließlich wurden wir in den ersten Monaten unserer Beziehung auch mit Liebe nur so überschüttet, genau wie in den ersten Monaten nach unserer Geburt. Das verständliche Bedürfnis, das dieser bedingungslose Liebessegen ein Leben lang so weiter läuft, ist leider eine infantile Übertragung der Vergangenheit auf unser Erwachsenenleben.

Unser Partner ist nicht ein bedingungslos liebender Gott. Naja, eigentlich schon von der Essenz her, aber halt nicht nur. Er hat auch Bedürfnisse und Unzulänglichkeiten und sieht uns nicht mehr nur als Lichtgestalt wie am Anfang, sondern erwartet auch einiges, genau so wie wir es tun. Das ist auch alles gut und richtig so, denn heute sind wir selbstwirksame Erwachsene und können unsere Beziehung selbst gestalten, zusammen mit unserem Partner.

Inwieweit ist der Partner nun verantwortlich für unser Liebesglück? Schließlich können wir nicht einfach fremdgehen, wenn er oder sie sich verweigert.

Nun, was die reine Herzens-Liebe betrifft, ist der Beziehungspartner nicht für Erfüllung verantwortlich. Herzens-Liebe kann auch in der Beziehung zu Eltern, Freunden, Kindern, Tieren, Pflanzen und überhaupt zu allem gelebt werden. Ja, manche Männer lieben sogar ihr Auto mit der gleichen Intensität wie ihre Partnerin. Aber beide Partner sind definitiv dafür verantwortlich, die erotische Liebe spannend und prickelnd zu halten, denn auch diese ist nun mal ein Grundbedürfnis der meisten Menschen. Und da sich viele Paare am Anfang der Beziehung auf Monogamie festlegen, muss Erotik dann auch in der Beziehung stattfinden. Ansonsten wird sie früher oder später ausgelagert.

Diese Auslagerung der Erotik nennen wir Fremdgehen, oder Affäre. Es ist für den hintergangenen Partner eines der schlimmsten Gefühle überhaupt, denn es triggert nicht nur archaische Schmerzpunkte, sondern nagt auch gehörig am Selbstbewusstsein. Es bedeutet, das man selbst nicht mehr sexy und aufregend genug ist, egal wie viele Häuser oder Kinder man für den Partner erschaffen hat. Es kann auch bedeuten, das der Partner nur noch da ist, weil er Angst hat die gemütliche Sicherheit der Beziehung zu verlieren, aber jede Zelle seines Körper den fremden Mensch will, zu dem er geht. Dazu kommen noch Trennungsängste und Ekelgefühle, denn wer möchte schon mit der Person Sex haben, die vor kurzem noch mit einem anderen Menschen geschlafen hat und „wer weiß was“ mit in die Beziehung zurück bringt. Ich spreche hier nicht nur von Krankheiten, sondern auch von seelischen Konflikten und natürlich von Verliebtheit. Niemand will sich das verliebte Gesäusel des eigenen Partners anhören, wenn der gerade von einem anderen spricht.

Nun, so schlimm Fremdgehen auch ist, es wäre vielleicht noch verzeihlich, wenn es ehrlich kommuniziert wird und zwar am besten vorher. Das nimmt zumindest eine schmerzhafte Komponente heraus – die Unehrlichkeit. Fremdgehen hinter dem Rücken des anderen fühlt sich wie ein Verrat an.

In Wirklichkeit haben nämlich beide Partner Lust auf Sexualität und damit auch auf Fremdgehen, falls im eigenen Bett nichts mehr läuft. Wenn es dann ein Partner heimlich macht, während sich der andere zähneknirschend an den Monogamie-Vertrag hält, ist der Ärger groß. Meist grösser, als die eh schon angeknackste Liebe, was dann oft das Ende der Beziehung darstellt.

Wenn wir uns also in einer monogamen Beziehung befinden und trotzdem Lust auf romantischen Abenteuer mit anderen Menschen haben, sollten wir dringend schauen, woher dieses Bedürfnis kommt, bevor wir unseren Partner mit Fremdgehen konfrontieren und damit höchstwahrscheinlich die Beziehung aufs Spiel setzen. Wir riskieren mit fremdgehen alles, was wir gemeinsam in der Beziehung aufgebaut haben. All das Vertrauen, die schönen Momente, die Zuneigung, die Familie, das Ansehen, die Sicherheit – und wofür? Für den kurzen Reiz des Neuen, der höchstwahrscheinlich schon nach wenigen Treffen verflogen ist. Ich muss gestehen, das ich aus vielfacher Erfahrung sprechen. Ich bin schon mehrmal fremdgegangen, auch heimlich und wurde ebenso oft betrogen und verlassen, weil das Karma immer alles ausgleicht und auch meine Seele das Thema von alles Seiten erforschen wollte.

Ich kann von Fremdgehen nur abraten und gebe gerne ein paar praktische Lösungsansätze weiter unten im Text. Nun erstmal zu den Gründen des Fremdgehens:

ABWECHSLUNG: Der häufigste Grund für Fremdgehen ergibt sich schon aus dem Wort – man hat Lust auf das Fremde. Etwas Neues zu erleben, hat nun mal seinen eigenen Reiz, der auch noch von Jahr zu Jahr steigt, denn der Partner wird ja immer vertrauter. Nicht jeder Mensch ist damit glücklich, alles Schöne im Leben für immer mit dem gleichen Menschen zu teilen. Irgendwann wollen wir wieder neue Spiele spielen, den Reiz eines neuen Menschen spüren, die Spannung der Annäherung erfahren und wieder ganz andere Saiten in uns selbst und dem Gegenüber erklingen lassen.

EIFERSUCHT: Wenn wir uns in der Beziehung eingeengt fühlen, weil unser Partner eifersüchtig darüber wacht, das wir die erotische Liebe nur mit ihm teilen, dann kann das extrem abtörnend sein. So verständlich diese Eifersucht ist, kann gerade diese Einengung den Partner zum Fremdgehen treiben, weil er ein Ventil für seine Liebe und den Erwartungsdruck des Partner sucht. Um das zu verhindern, braucht der Eingeengte sich nur ganz auf die Beziehung einlassen und schon versiegt auch die Eifersucht des Partners. Ebenso darf der Eifersüchtige seine Ängste mal etwas herunterschrauben, falls sie nicht gerechtfertigt sind. Oft sind sie es aber, wie sich im Nachhinein meist herausstellt.

FLUCHT: Es könnte aber auch sein, dass wir einfach nur unseren Beziehungsproblemen entfliehen wollen, weil wir täglich mit dem gleichen Desaster konfrontiert sind und keinen Ausweg mehr sehen. Diese Flucht funktioniert zwar auch für einen Moment, aber oft nicht für lange, da wir uns selbst, samt unseren Problemen in die neue Beziehung mitnehmen. Irgendwann werden wir uns also mit unseren Themen auseinander setzen müssen. Im übrigen ist die neue Beziehung meist genauso enttäuschend wie die alte, weil wir sie in der Resonanz mit Frust und Ärger einladen. Es ist also immer sinnvoll, die Probleme zuerst zu bewältigen, bevor wir eine Kette von schmerzhaften Handlungen einleiten.

HOFFNUNGSLOSIGKEIT: Wir haben die Beziehung innerlich bereits aufgegeben und glauben nicht, dass wir das Ersehnte auch mit unserem Partner leben können. Wir wollen einfach nur weg, einen neuen Weg gehen und unser Glück mit einem neuen Menschen versuchen. Das bleibt meist bei einem Versuch, denn auch der neue Mensch ist nicht perfekt, wie sich ziemlich bald herausstellt. Dann gibt es auch noch den Resonanz-Effekt, der uns immer wieder die gleichen Themen in neuen Gewändern (Partnern) beschert. Schaue also zuerst genau nach innen, woher deine Hoffnungslosigkeit kommt. Gehe auch mit deinem Partner zu einer Paartherapie und lasse nichts unversucht, vor allem, wenn ihr gemeinsame Kinder habt.

VERLIEBEN: Vielleicht sind wir aber auch einem anderen Menschen begegnet, der tatsächlich ein grosses Potential enthält, dessen gemeinsame Verwirklichung auf dem eigenen Lebensweg liegt. Zu gut deutsch: wir haben uns neu verliebt und die Anziehung zu unserem bisherigen Partner scheint einfach vorbei zu sein. Dann wird aus dem Fremdgehen eine Beziehung. Zum Leidwesen des Partners, der zurück bleibt. Auch hier kann man sich sehr täuschen und bereut das vorschnelle Verlassen der langjährigen Beziehung, kurze Zeit später. Dann ist der verlassene Partner aber so verletzt, das eine Rückkehr sehr schwierig wird und der Vorfall die Beziehung über Jahre belastet.

ÜBERFORDERUNG: Gerade, wenn aus der Zweierbeziehung eine Familie geworden ist, sind beide Partner oft mit einer gnadenlosen Überforderung konfrontiert. Schlaflose Nächte, schreiende Kinder, chaotische Wohnung, zu wenig Zeit und endlos viel Arbeit ziehen einen Schlussstrich unter die erotische Liebe vieler Paare. Nichts geht mehr und dann lernt einer der beiden jemand Neues kennen. Ein frischer Mensch, der einfach nur Zeit hat, der flirtet und nicht das zerknitterte Vater- oder Muttertier in einem sieht. Dieser Versuchung ist natürlich schwer zu widerstehen, aber gerade dann ist am wichtigsten treu zu bleiben, denn eine klassische Familie ist nun mal das beste Umfeld für Kinder. Diese Option aufzugeben, nur weil die Lust nicht befriedigt wird, ist zwar heutzutage fast die Norm, aber es hat katastrophale Folgen für Kinder und die zukünftige Gesellschaft.

Wie du siehst, gibt es einige theoretisch nachvollziehbare Gründe für das Fremdgehen. Das wichtigste in jeder Beziehung ist, ziemlich am Anfang über das Thema zu reden und darüber, wie man mit Sehnsüchten, Bedürfnissen und Ansprüchen innerhalb der Beziehung umgeht. Hier ein paar Fragen, die du dir selbst und deinem Partner stellen kannst, um eine eigene Umgangsweise zu finden:

Wollen wir Flirt-Kontakte, erotische Tänze und kuschelnden Austausch mit anderen erlauben, oder zum Tabu erklären? Wollen wir eventuelle Seitensprünge ankündigen, heimlich praktizieren, oder einigen wir uns darauf, das sie nicht stattfinden? Was steht ins Haus, falls es doch passiert? Finden wir eine heilsame Art, mit diesem Thema umzugehen? Wollen wir unsere Wünsche nach erotische Abwechslung mit anderen Menschen bei Beziehungsbeginn begraben und uns ein Leben lang mit Monogamie abfinden? Können wir unsere Beziehung so abwechslungsreich gestalten, das immer wieder etwas neues, wundervolles geschieht und es interessant bleibt? Bin ich ganz persönlich überhaupt dazu geschaffen strikt monogam oder polyamor zu sein? Welche Bindungsstörungen habe ich oder mein Partner?

Wege aus dem Dilemma: Alternativen zum Fremdgehen

Nachdem wir die Gründe für das Fremdgehen betrachtet haben, stellt sich die Frage: Wie können wir konstruktiv mit unseren Bedürfnissen umgehen, ohne unsere Beziehung zu gefährden? Im folgenden Abschnitt werden wir verschiedene Ansätze und Lösungsmöglichkeiten erkunden, die dir und deinem Partner helfen, eure Beziehung zu stärken und gleichzeitig eigene Bedürfnisse zu berücksichtigen.

GEMEINSAME ABENTEUER: Plant regelmäßig neue Aktivitäten oder Reisen, die ihr noch nie zusammen gemacht habt. Das schafft nicht nur gemeinsame Erinnerungen, sondern auch das Gefühl von Neuheit und Aufregung in der Beziehung. Das Fremde liegt ja nicht nur in anderen Menschen, sondern auch in neuen Städten und Landschaften. Ich stelle immer wieder fest, das ich mich nach einem langen Abenteuer-Urlaub nichts sehnlicher wünsche, als einfach mit meiner Geliebten gemütlich kuschelnd auf dem Sofa zu liegen. Keine Spur mehr von Lust auf neue Menschen und Abenteuer.

PERSÖNLICHE WEITERENTWICKLUNG: Ermutigt euch gegenseitig, neue Umgangsweisen und Fähigkeiten zu entwickeln. Das bringt frische Energie in die Beziehung und macht euch füreinander interessanter. Desto weiter entwickelt ihr seid, desto besser könnt ihr miteinander reden und desto tiefer werdet ihr eure Beziehungsdynamik verstehen. Ihr kennt eure eigenen Triggerpunkte und könnt bei Verletzungen liebevoll auf den Partner eingehen.

OFFENE KOMMUNIKATION: Sprecht offen über eure Erwartungen, Bedürfnisse und sexuellen Fantasien, ohne sie unbedingt ausleben zu müssen. Allein das Teilen kann Intimität schaffen und das Gefühl von Vertrautheit und Akzeptanz stärken. Oft verlieren sich selbst dringlichste Bedürfnisse, nachdem sie kommuniziert wurden. Entweder weil der Partner auch Lust darauf hat, oder weil gerade das Aussprechen viel von dem Reiz des Verbotenen genommen hat.

PAARTHERAPIE kann sehr hilfreich sein, wenn es aufgrund von blinden Flecken oder Kommunikationsblockaden nicht weitergeht. In meiner eigenen Beziehung versuche ich immer zuerst selbst die aufkeimenden Konflikte der Beziehung zu verstehen, zu heilen und für unser Wachstum zu nutzen. Wenn man genau hinschaut, sieht man sehr gut, aus welchen Kindheitserlebnissen, welches Bindungsverhalten entsteht und wie es sich in der Beziehung auswirkt.

ROLLENSPIELE: Wir können unsere Gelüste nach dem Neuen und Unbekannten in die eigene Beziehung umleiten. Wir können versuchen den Partner immer wieder neu zu sehen, in neue Rollen zu schlüpfen, neue Seiten von uns selbst zeigen. Dabei hilft es auch, mal eine Woche Abstand zu halten und ganz zum eigenen Selbst zurück zu finden. Nichts ist der sexuellen Lust abträglicher, als täglich aufeinander zu hocken, bis man sich selbst nicht mehr ertragen kann.

EHRLICHKEIT: Wenn die Lust auf andere Menschen groß wird, ist die sinnvollste Lösung natürlich, mit dem Partner über das Thema zu reden und die eigenen Bedürfnisse offiziell zu bekunden. Höchstwahrscheinlich hat der Partner sowieso ähnliche Wünsche tief in sich verborgen. Ob er sich diese eingesteht, ist eine ganz andere Frage. Wenn Monogamie die wichtigste Basis der Beziehung war, dann löst schon das bloße Erwähnen von sexuellen Freiheitsbedürfnissen massive Angst aus. Bevor diese Angst nicht angeschaut, erlebt und fühlend transzendiert wird, sollte Fremdgehen keine Option sein. Und danach ist es oft gar nicht mehr nötig.

FREIE LIEBE: Meine Erfahrungen mit Polyamorie sind keine guten, soviel vorweg. Ich lernte vor vielen Jahren eine sehr impulsiv-erotische Frau kennen, die unbedingt freie Liebe mit mir leben wollte. Sie meinte damit, dass sie selbst ganz frei sein darf und ich könnte eventuell auch machen, was ich wolle. Sie war viel unterwegs und sagt mir nie, ob sie ihre freie Liebe nun schon auslebt, oder nicht. Ich malte mir alles Mögliche aus, was sehr schmerzhaft war und mich dazu bewegte, auch eine andere Frau kennenzulernen. Ich hätte natürlich besser mit meiner Freundin darüber reden sollen, aber ich wollte auch so cool sein wie sie und mal etwas Neues probieren. Der erste große Streit kam schon nach 3 Monaten, als sie erfuhr, dass ich auch noch eine andere Frau mag. In ihrer impulsiven Art trennte sie sich sofort von mir und zog aus. Als wir uns ein paar Tage später wieder trafen und über alles redeten, stellte sich heraus, dass sie schon mit einem anderen Mann im Bett war, zwar ohne Sex, aber ich hatte meine Affäre noch nicht einmal geküsst gehabt. Nun, wir verziehen einander, aber das Thema zog sich durch unsere gesamte 8-jährige Beziehung, mit noch viel größeren Verletzungen, Unehrlichkeiten, Seitensprüngen und allem, was die freie Sexualität zu bieten hat. Im Nachhinein empfinde ich den Begriff „freie Liebe“ als verräterisch, es sollte besser „sexuelle Beziehungsflucht“ oder „ängstliche Bindungsvermeidung“ heißen. Ich habe viele Menschen kennengelernt, die Polyamorie als Beziehungskonzept leben. Beim näheren Kennenlernen hat sich immer herausgestellt, dass sie schwere Traumata aus der Kindheit haben und gar nicht mehr in der Lage sind, eine gesunde, tiefe Paar-Beziehung einzugehen. Ich selbst hatte auch Bindungsstörungen aus meiner Kindheit, die 20 Jahre intensives Leben und viel Therapie brauchten, um sich aufzulösen. Ich kann dir nur empfehlen, dich mit dem Thema Bindung auseinander zu setzen, da gibt es bei den meisten Menschen viel zu heilen.

ER-WACHSEN IN BEZIEHUNG